Leseprobe "Todesflirt"

 

Es war fast eins, als wir eng aneinander gekuschelt in Davids Bett lagen. Meine Gedanken wurden bereits seltsam blumig und ich war kurz davor einzuschlafen. David streichelte meinen Bauch, aber auch seine Bewegungen wurden immer langsamer.

Die Musik, die plötzlich einsetzte, war wie ein Hammerschlag. Laut, metallisch, bedrohlich. Eine Stimme, die so schrie, dass man die Worte beinah unmöglich verstehen konnte, ähnlich der, die David neulich selbst gehört hatte. Irgendwo ganz nah an meinem Kopf. Wir setzten uns beide blitzschnell auf, mein Herz pochte bis zum Hals und ich hielt mir die Ohren zu.

Wo kommt das her?“, versuchte ich gegen den Lärm anzuschreien. David war aufgesprungen und sah unters Bett, wo offenbar nichts lag. Sein Gesichtsausdruck war beängstigend. Die Ader an seiner Stirn angeschwollen, die Augen weit aufgerissen, der Mund mit mahlenden Bewegungen beschäftigt. Er durchwühlte unseren Kleiderhaufen, der neben dem Bett lag. Die Musik spielte erbarmungslos weiter. Ich bildete mir ein, einen Satz wie „Blut muss fließen“, oder Worte wie „knüppeldick“ herauszuhören, aber nichts klang wirklich wie eine menschliche Stimme. David rannte in Richtung Küchenzeile, zur Wohnungstür, tastete fahrig auf seinem Schreibtisch herum. Nichts! Ich las von seinen Lippen ab, dass er angestrengt das Wort „Scheiße“ wiederholte. Nach ungefähr einer Minute war es plötzlich still. Keuchend sank David zu Boden. Ich spürte, wie sehr ich zitterte und zog mir die Bettdecke über die Schulter.

Was war das?“, fragte ich. Schweißperlen standen auf meiner Stirn. David setzte sich neben mich, erschöpft, als habe er einen Marathonlauf absolviert.

Keine Ahnung.“ Er stöhnte.

Grauenhafte Musik!“

Er ließ sich nach hinten sinken. Hinter seiner Stirn arbeitete es.

Willst du nicht weiter nach dem schrecklichen Ding su...“ Weiter kam ich nicht. Wieder ging die Musik los. Genauso laut, genauso unerträglich. Davids Gesicht lief hochrot an. Er kniete auf dem Bett, drosch mit den Fäusten auf die Matratze ein und schrie „aufhören, aufhören.“ Unwillkürlich wich ich zurück, ließ mich vor das Bett auf den Boden gleiten. Hier war die Musik noch lauter. Obwohl David schon geschaut hatte, sah auch ich noch einmal unter das Bett. Nichts, außer ein paar Staubflocken. Aber dann wanderte mein Blick nach oben und ich entdeckte etwas Schwarzes zwischen Matratze und Lattenrost. Ich schob mich unter das Bett, erinnerte mich kurz an den Laptop, von dem jetzt nichts mehr zu sehen war und griff nach dem schwarzen Ding. Ein Handy steckte zwischen den Sprossen des Lattenrosts. Ich drückte auf die rote Taste und augenblicklich war es still.

Ich spürte, wie David mich an den Beinen unter dem Bett hervor zog.

Langsam, langsam“, rief ich, aber da hatte ich mir schon den Kopf am Rahmen angestoßen. David kümmerte sich gar nicht darum und riss mir das Handy aus der Hand.

Wichser“, stieß er zwischen den Zähnen hervor. „Elender Wichser.“ Er drückte auf dem Handy herum, ließ sich aufs Bett plumpsen und es war, als sei ich gar nicht mehr existent.

Ich kletterte zu ihm und beugte mich über seinen Rücken. Das Handy schien eine Textnachricht zu enthalten, aber er schob mich mit dem Ellenbogen beiseite. Ich hatte nur die Worte erkennen können: 'Freu dich – bin wieder da.' David ließ das Handy sinken und starrte unbeweglich in die Luft. Allmählich wurde sein Gesichtsausdruck wieder normaler und er verwandelte sich in den Menschen zurück, den ich liebte.

Doch ich hatte mich getäuscht. Plötzlich sprang er hoch, das Handy in der rechten, holte weit aus und schleuderte das Ding gegen die Wohnungstür. In mehrere Teile zerborsten, fiel es zu Boden. David sank blass aufs Bett zurück und starrte auf den PVC. Ich spürte, dass ich ihn nicht erreichen konnte. Trotzdem versuchte ich es: „Was war das, David?“

Er zuckte nur mit den Schultern.

Wo kommt das her?“ Er fuhr herum und sah mir in die Augen. Wut stand in seinem Blick.

Keine Ahnung. Können wir jetzt schlafen?“

Ich kniete mich hin, überragte ihn leicht und schüttelte ihn an den Schultern.

Da ist irgendwie ein Handy unter deiner Matratze versteckt und du willst schlafen? Hast du sie noch alle?“

Wie ein kleines Kind setzte er erneut die Ellenbogen ein um mich abzuwimmeln. Dann hielt er sich die Hände über die Ohren, ließ sich seitlich aufs Bett fallen und schloss die Augen. Na, super, vielen Dank auch!

Zorn kroch aus meinem Bauch, verbreitete sich rasant in meinem Körper und ich wusste, es bliebe nur schreien oder abhauen. Schnell griff ich nach meinen Klamotten, zog sie über und verließ seine Wohnung. Er versuchte nicht, mich aufzuhalten.

 

Bettina Brömme